Erziehungshilfe

Die Hilfe zur Erziehung ist eine der grundlegenden Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe. Eltern oder andere Personen mit Sorgerecht haben einen Rechtsanspruch auf erzieherische Hilfen. Sie stützt sich auf die Sicherung des Kindeswohls. In der Praxis bedeutet das, dass die Eltern oder andere Personen mit Sorgerecht einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung beim zuständigen Jugendamt stellen können, wenn sie Unterstützung im Umgang mit ihrem Kind oder Jugendlichen benötigen. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem Bedarf im Einzelfall, dabei sollte das soziale Umfeld des jungen Menschen mit einbezogen werden. Der Lebensmittelpunkt des jungen Menschen bleibt bei der ambulanten Hilfe die Familie. Die ambulante Hilfe unterstützt die Familie dabei, Herausforderungen in Erziehungsaufgaben und im Alltag zu bewältigen. Dabei nehmen Alltagsnähe und Aktivierung sozialräumlicher Ressourcen einen wichtigen Platz ein.

Einen Schwerpunktbereich unserer Arbeit im Rahmen der erzieherischen Hilfe bildet neben dem Kindeswohl auch der migrationssensible Kinderschutz. Gerade pädagogische Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe begegnen häufig Fragen mit Blick auf die Probleme und Herausforderungen in der Zusammenarbeit mit Migrationsfamilien sowie geflüchteten Familien. Hier berücksichtigt interKultur e.V. mit seinem spezifischen Ansatz die verschiedenen Sensibilitäten im Kontext des migrationssensiblen Kinderschutzes und bietet in den ambulanten Hilfen zur Erziehung einen pädagogisch-fachlichen Raum für die Thematisierung von kulturellen und migrationsbezogenen Faktoren und Herausforderungen.


Der Bereich ambulante Hilfen bei interKultur e.V. ist zuständig für alle Maßnahmen, Angebote und Leistungen, die im Auftrag des örtlich zuständigen Jugendamtes [nach §§ 27 ff. SGB VIII], am erzieherischen Bedarf des Einzelfalls, organisiert und durchgeführt werden. Die Hilfen zur Erziehung sind als ambulante Leistungen nach SGB VIII kostenfrei.

Im Folgenden werden unsere verschiedenen Unterstützungsangebote der Hilfen zur Erziehung vorgestellt.

Ambulantes Krisenintervention (§ 27ff SGB VIII)

Die ambulante Krisenintervention ist eine Kurzzeithilfe für Familien, die sich in einer schwerwiegenden Krise befinden. Meist sind der ein oder mehrere Kinder oder Jugendliche der Belastung einer Fremdunterbringung oder Inobhutnahme ausgesetzt. Die ambulante Krisenintervention erfolgt in Anlehnung an das Modell des Familien-Aktivierungs-Management (FAM). Wertschätzung, Achtung und Respekt und eine konsequente Stärkenorientierung sind die Grundhaltungen, auf die sich das FAM stützt. Durch eine Unterstützung und Stärkung der Familie durch Förderung der erzieherischen Kompetenz, Deeskalation und Hilfe zur Selbsthilfe wird die Gefährdung des Kindes aufgehoben und zur Stabilisierung der Situation innerhalb der Familie beigetragen. Mithilfe der ambulanten Krisenintervention werden Folgemaßnahmen für die Familie festgelegt und realisierbare, konkrete Ziele definiert.

Das vorrangige Ziel ist es, einer akuten Kindeswohlgefährdung in Folge von psychischer oder physischer Verwahrlosung, Gewalt in der Familie (körperliche oder seelische Misshandlung), Wohnungsräumung etc. entgegenzuwirken und die Option einer Fremdunterbringung nach § 8a SGB VIII des Kindes zu vermeiden, falls das dem Wohle des Kindes dient. Bestenfalls kann das Kind nach der Maßnahme in der Familie verbleiben. Nicht geeignet ist die Maßnahme der ambulanten
Krisenintervention, wenn der Fall so gestrickt ist, dass die Eltern und oder das Kind eine Fremdplatzierung für notgedrungen halten oder das Wohl und die Sicherheit des Kindes und der Familie durch das Krisenteam nicht gewährleistet werden kann.

Ambulantes Clearing (§ 27ff SGB VIII)

Das Ambulante Clearing ist ein Mittel zur Klärung krisenhafter oder belasteter Familiensituationen, um ein bedarfsorientiertes Hilfsangebot zu konzipieren. Beim ambulanten Clearing wird mit einer klaren systematischen Diagnose die Form der Hilfe festgestellt und herausgearbeitet, ob ein akuter Handlungs- bzw. Hilfebedarf besteht (Klärung einer drängenden Belastungssituation). Dabei wird beispielsweise geklärt, ob die Stabilität innerhalb des Familiensystems gefährdet oder akut bedroht ist. In enger Zusammenarbeit mit den Bezugspersonen und unter Einbeziehung des sozialen Umfelds kann so eine von allen beteiligten entwickelte Gesamteinschätzung des Familiensystems entstehen. Orientiert an den Ressourcen der Adressat*in wird zusammen mit allen Instanzen die am Clearing-Prozess mitwirken, nach passenden Hilfsangeboten für den jungen Menschen oder die Familie unter Berücksichtigung des sozialen Hintergrundes gesucht.

Ziel des Clearings ist das Erarbeiten und die Analyse der familiären und erzieherischen Situation mit einer klaren Diagnose der Problemlage, inklusive der entsprechenden Dokumentation. Das Clearing wird mit einem Empfehlungsbericht für die Familie und das Jugendamt und mit einer anschließenden Überleitung in eine konkrete Hilfemaßnahme abgeschlossen.

Soziale Gruppenarbeit (§ 29 SGB VIII)

Die soziale Gruppenarbeit ist eine Hilfe zur Erziehung und eine Form des sozialen Lernens in der Gruppe. Die Zielgruppe der sozialen Gruppenarbeit sind Kinder (ab 8 Jahren), Jugendliche (14-18 Jahre) oder junge Erwachsene (18-21 Jahre) mit Entwicklungsverzögerungen, die durch Verhaltensoriginalität oder aggressivem und impulsgesteuertem Auftreten auffallen. Die soziale Gruppenarbeit gibt den Adressat*innen Hilfestellungen bei Kontaktschwierigkeiten, fehlenden Durchsetzungsvermögen oder geringen Selbstwertgefühl. Durch regelmäßige, methodisch strukturierte Zusammenkünfte der Kinder und Jugendlichen wird soziales Lernen gefördert. Die Gruppenarbeit kann gesprächsorientierte und/oder erlebnispädagogische Elemente beinhalten.

Das dynamische Lernen in der Gruppe fördert das Heranwachsen der jungen Menschen und begleitet und bestärkt sie darin, sich zu selbstverantwortlichen, gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu entwickeln. Zusammen mit den anderen Kindern, Jugendlichen oder jungen Erwachsenen werden soziale Kompetenzen wie Empathie-Fähigkeit, Kompromissbereitschaft, Frustrationstoleranz und Teamfähigkeit erlernt und erprobt.

Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH) (§ 31 SGB VIII)

Die sozialpädagogische Familienhilfe ist eine unterstützende und längerfristig angelegte Hilfe für Familien, die multifaktoriell belastet sind. Die SPFH ist eine ganzheitlich angelegte Hilfestellung und bezieht alle Familienmitglieder, das soziale Umfeld und insbesondere die Ressourcen des Familiensystems in ihrer Alltags- und Handlungsorientierung mit ein. Die SPFH stärkt die Familien durch intensive pädagogische Betreuung und Begleitung in ihren Erziehungsaufgaben, bei der Bewältigung von Alltagsherausforderungen, im Konfliktmanagement, bei finanziellen Angelegenheiten und gibt Hilfestellungen zur Verbesserung des Zusammenlebens innerhalb der Familie und im Kontakt mit Ämtern und Institutionen.

Übergeordnetes Ziel der SPFH ist die Stärkung und (Wieder-)Herstellung der familiären Bindungen innerhalb des Familiensystems, damit die Familie als Einheit ohne Hilfe von außen einen strukturierten, gelingenden Alltag leben kann und auf Dauer stabilisiert ist. Hierbei stehen die Stärkung jedes einzelnen Familienmitglieds und des familiären Gesamtsystems im Fokus der Hilfe zur Selbsthilfe.

Intensiv sozialpädagogische Einzelbetreuung (INSPE) (§ 35 SGB VIII)

Die intensiv sozialpädagogische Einzelbetreuung ist ein Angebot für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, deren Lebenssituation durch schwierige familiäre, schulische oder sozio-ökonomische Verhältnisse und/oder soziale Benachteiligungen gekennzeichnet ist. Die jungen Menschen befinden sich meist in einer stark problembelasteten Situation und sind aufgrund dessen nicht in der Lage, ihre vielschichtigen Herausforderungen selbst zu bewältigen. Die INSPE richtet sich an junge Menschen mit beispielsweise psychischen Problemen, mit Suchtbelastung, erlebter physischer und/oder psychischer Gewalt, Vernachlässigung oder Straffälligkeit. Dabei orientiert sich die INSPE an den individuellen Fähigkeiten und Bedürfnissen der jungen Menschen. Die Betreuungskräfte unterstützen die Adressat*innen bei der allgemeinen Bewältigung des Lebensalltags (finanzielle Sicherheit, Berufsperspektive, Wohnungssuche, Freizeit) und stärken sie bei der positiven Persönlichkeitsentwicklung, der sozialen Stabilisierung und geben Hilfestellungen für eine eigenverantwortliche, selbstbestimmte Lebensführung.

Die Hauptziele der INSPE Betreuung sind die soziale Integration des jungen Menschen und die Begleitung der persönlichen Perspektivfindung. Insgesamt liegt der Fokus auf der Stärkung der individuellen und sozialen Entwicklung und Handlungskompetenz der Adressat*in. Weitere Ziele sind der Aufbau eines strukturierten Alltags, Erarbeitung einer Lebens- und Zukunftsperspektive und die Unterstützung bei der emotionalen und räumlichen Ablösung von der Herkunftsfamilie und der Verselbständigung.

Hilfe für junge Volljährige (§ 41 SGB VIII)

Das Unterstützungsangebot ist für junge Erwachsene bis zur Vollendung des 21.Lebensjahres ausgelegt, die in der Gestaltung ihrer Lebensräume Begleitung und Unterstützung benötigen. In den meisten Fällen liegt der Stand der Persönlichkeitsentwicklung unterhalb des in diesem Lebensalter allgemein erreichten Niveaus der Sozialisation. Zu den angebotenen Hilfestellungen der Betreuungskräfte zählen unter anderen die Übergänge in selbstständig angemietete Wohnräume, Integration ins Arbeits- bzw. Berufsleben, alternative Schulabschlüsse, Ablösungsprozesse von elterlichen und familiären Beziehungen sowie der eigenständige und verantwortungsvolle Umgang mit materiellen Bezügen und Behörden. In dieser Maßnahme ist besonders die Mitwirkung des jungen Menschen gefragt und basiert in vielen Bereichen des Angebotes auf einer Komm-Struktur.

Das übergeordnete Ziel der Hilfe für junge Volljährige ist die Persönlichkeitsentwicklung und die Stärkung einer eigenverantwortlichen Lebensführung von Jugendlichen. Die bestehenden Defizite in der Persönlichkeitsentwicklung sollen so weit wie möglich abgebaut werden, damit der junge Mensch ein seinen Vorstellungen entsprechendes Leben in der Gemeinschaft selbst gestalten und ohne fremde Hilfe führen kann.

Begleiteter Umgang (§ 18 Abs. 3 und § 50 SGB VIII)

Nach § 18 Abs. 3 Sozialgesetzbuch VIII hat jedes Kind ein Recht auf Kontakt mit seinen Eltern oder der umgangsberechtigten Person. Der begleitete Umgang ist ein Angebot zur fachlichen Begleitung des Umgangs durch eine neutrale Person zwischen einem Elternteil bzw. der umgangsberechtigten Person und des Kindes oder Jugendlichen. Die Maßnahme wird beispielsweise angeordnet, wenn Besuchskontakte nicht verlässlich und klar geregelt sind, Besuchskontakte von ständigen Konflikten begleitet sind oder Bedenken im Hinblick auf die Person der umgangsberechtigen Person bestehen. Die Maßnahme dient der Anbahnung und Wiederherstellung der Kontakte zwischen dem Kind oder Jugendlichen und der umgangsberechtigten Person bzw. den Eltern. Der Kontakt wird durch die Anwesenheit einer neutralen dritten Person bei der Übergabe oder während des gesamten Umgangs ermöglicht. Die am Umgang beteiligten Personen erhalten die Möglichkeit zu begleitenden Beratungsgesprächen, in denen Unsicherheiten und Ängste bearbeitet und genommen werden, um eine dem Wohle des Kindes ausgerichtete Kommunikation und Interaktion zu ermöglichen. Der regelmäßige Umgang mit dem Kind oder Jugendlichen ermöglicht der umgangsberechtigten Person die Verantwortung als Elternteil zu tragen und am Leben des Kindes oder Jugendlichen Teil zu haben.

Übergeordnetes Ziel des begleitenden Umgangs ist es, alle Beteiligten zu befähigen, den Kontakt eigenständig zu pflegen und im Sinne des Kindeswohles und unter Berücksichtigung der Bedürfnisse und Wünsche des Kindes oder Jugendlichen zu gestalten.

Scroll to Top